Kommen jetzt Inflation und Zinserhöhungen?

Angesichts der heutigen Tagung der FED ist es vielleicht ein guter Zeitpunkt, nach den vielen Quartalsberichten den Blick mal wieder etwas zu weiten und „das große Bild“ darzustellen. Denn dieses hat ja seit Mitte Februar die Kursbewegungen maßgeblich bestimmt. Das Narrativ war: Die Inflation steigt, die längerfristigen Anleiherenditen daher auch, und die kurzfristigen Zinsen werden dann wohl auch bald folgen => Quantitative Tightening => raus aus Wachstumsaktien, erst recht aus defizitären.

Ich habe mich von Anfang an über diese Sicht der Dinge gewundert und deshalb in den letzten Monaten meine Aktienquote auf fast 100% erhöht, zudem bin ich aus einigen defensiveren Werten wie MBB und PNE ausgestiegen und habe das Gewicht noch mehr auf die o.g. Wachstumsaktien gelegt. Mit Appian bin ich ein neues, noch recht spekulatives Investment im Bereich Low Code eingegangen, darüber hinaus bin ich bei Elastic eingestiegen. Bei den meisten Bestandswerten habe ich Nachkäufe getätigt und inzwischen teilweise wieder mit Gewinn veräußert.

Was war der Grund für meine Trades? Ich halte das o.g. Narrativ für nicht stichhaltig. Die Notenbanken singen seit Jahren das gleiche Lied:

Wir wollen eine höhere Inflation, und dann, wenn sie (endlich) kommen sollte oder die Wunschrate von 2% sogar übertreffen sollte, werden wir immer noch nicht gegensteuern. Denn die Inflation war jetzt so lange zu niedrig, dass sie zum Ausgleich jetzt erstmal ruhig eine zeitlang „zu hoch“ – also jedenfalls höher als 2% – ausfallen sollte.

Nun kommt mit dem Reopening tatsächlich mal ein bisschen Inflation im Jahresvergleich auf, und jetzt soll plötzlich all das, was die Notenbanken seit Jahren gepredigt haben, nicht mehr gelten? Jetzt werden sie kurzfristig doch die Zinsen anheben? Nein, ich glaube diese Story nicht. Weder sehe ich einen Anlass für eine dauerhaft erhöhte Inflation (wo soll die plötzlich herkommen, wenn sich an den Gründen für die niedrige Inflation nichts geändert hat?), und erst recht glaube ich nicht an (deutliche) Zinserhöhungen. Höchstens in homöopathischen Dosen. Es tritt m.E. jetzt möglicherweise der Fall ein, den die Notenbanken immer wollten: Inflation, aber trotzdem keine signifikanten Zinserhöhungen, damit die hochverschuldeten Staaten und Unternehmen ihre Schulden abbauen können. Die Notenbanken werden einen Teufel tun und mit Sicherheit nicht diesem sehr erwünschten Effekt den Saft abdrehen.

Es kann aber auch sein, dass es außer einem temporären Reopening-Strohfeuer gar keine weitere Inflation geben wird, und dann gäbe es für die Notenbanken ohnehin keinen Anlass, die Zinsschraube anzuziehen.

Insgesamt bin ich daher recht entspannt, was Inflation und Zinsen angeht und daher im wikifolio aggressiv auf Wachstum positioniert.

Heute abend ab 20:30 wissen wir zumindest kurzfristig mehr, was die FED als nächstes beabsichtigt…

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