VARTA

Die Frage nach den Batteriezellen für den Wandel zur E-Mobilität ist inzwischen zur politischen Chefsache geworden. Wirtschaftsminister Altmaier ließ es sich am 30.06.2020 nicht nehmen, die bis zu 300 Mio € Fördergelder für die Varta AG zur Entwicklung von „Batteriezellen für automobile und industrielle Anwendungen“ persönlich zu übergeben.

Warum VARTA hier zum Zuge gekommen ist, leuchtet schnell ein: VARTA ist Weltmarktführer bei Li-Ionen-Microbatterien für kabellose Kopfhörer und Hörgeräte mit einem beeindruckenden Marktanteil von über 50%. Dass man Batteriezellen herstellen kann, hat man also bereits bewiesen. Da sollte der Schritt zu größeren Formaten ebenso gelingen. Denn das Schwierigste besteht in der Regel nicht darin, etwas besonders Großes zu bauen, sondern etwas besonders Kleines.

Was macht VARTA?

Stand heute ist das aber noch Zukunftsmusik. Im Augenblick verdient VARTA sein Geld hauptsächlich mit besagten Microbatterien und kundenspezifischen Batterie-Packs. Dieses Firmenkunden-Geschäft macht 62% des Umsatzes aus. Die anderen 38% entfällt auf das Endkundengeschäft mit Haushaltsbatterien, Ladegeräten, Leuchten und Energiespeichern.

Das Management

Geschäftsführer ist seit 2016 das VARTA-Urgestein Herbert Schein, der seit 25 Jahren für VARTA tätig ist. Bereits seit 2008 war er CEO der VARTA Microbattery GmbH, die nun so überaus erfolgreich auf dem Weltmarkt vertreten ist.

Die Kunden

Der große Erfolg auf dem Weltmarkt hat auch seine Schattenseiten. Denn ein Großteil des Umsatzes mit den Microbatterien wird mit nur 2 Kunden erwirtschaftet: Apple und Samsung (bzw. dessen Ur-Enkel, dem Kopfhörer-Hersteller JBL). Bei erfahrenen Investoren gehen nun die Alarmlampen an, denn VARTA ist damit Zulieferer von übermächtigen Großkonzernen. Was das bedeutet, können viele Automobilzulieferer aus leidvoller Erfahrung berichten: Sie sitzen gegenüber den großen Herstellern am kürzeren Hebel und bekommen die Preise diktiert. Geringe Margen sind die Folge, und insbesondere wenn die Geschäfte schlecht laufen, erhöhen diese Großkunden gnadenlos den Preisdruck.

Daher ist VARTA gut beraten, seinen Kundenkreis zu diversifizieren. Und auch wenn mit den Batteriezellen für die E-Mobilität nun ausgerechnet die Autohersteller als Kunden winken, ist die Ausbreitung in eine neue Branche als sehr positiv zu werten, um die Abhängigkeit von einzelnen Großkunden zu reduzieren.

Die Konkurrenz

Die Haupt-Konkurrenten von VARTA sind gar nicht so leicht zu finden. Eine einfache Google-Suche liefert für den Begriff „Microbatteries“ erstmal 2 Seiten lang nur VARTA und einige Forschungseinrichtungen.

Man landet jedoch 2 Treffer, wenn man den Weg der ehemaligen Töchter verfolgt. Zum einen ist „VARTA Standardbatterien“ über Umwege inzwischen bei Energizer gelandet. Da VARTA selbst keine Standardbatterien mehr herstellt, wird Energizer dadurch aber noch nicht zum Konkurrenten. Energizer hat mit Rayovac jedoch eine weitere Tochter, die Hörgerätebatterien herstellt. Treffer Nr. 1. Die haushohe Marktführerschaft von VARTA mit einem Weltmarktanteil von über 50% in diesem Bereich zeigt aber, dass die Konkurrenz hier auf Abstand ist.

Zum anderen gehört „VARTA Autobatterien“ (das betrifft die klassischen Autobatterien für Verbrenner, nicht die modernen Li-Ionen-Akkus für die E-Mobilität) inzwischen zu Johnson Controls, die wie VARTA auch stationäre Energiespeicher herstellen. Treffer Nr. 2. In diesem Trend-Bereich wird es sicherlich eine Fülle weiterer Wettbewerber geben, zumindest aus Japan, Korea und China.

Im zukünftigen Geschäftsfeld der Li-Ionen-Akkus für die E-Mobilität sind natürlich die „Big 4“ aktuell die Platzhirsche: Samsung SDI und LG Chem (beide Korea), Panasonic (Japan, Partner von Tesla) und CATL (China). Diese stellen sowohl die Batterie-Zellen als auch die daraus zusammengebauten Batterie-Packs her. VARTA wird diese Unternehmen in den nächsten Jahren als 5. Anbieter herausfordern. Es wird spannend sein zu sehen, ob VARTA die Marktführerschaft bei den Li-Ionen-Microbatterien auch in die großformatigen Li-Ionen-Akkus für die E-Mobilität übertragen kann.

Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass sich in den nächsten Jahren eine unübersichtliche Menge von Anbietern tummeln wird, die selbst keine Batteriezellen herstellen, sondern lediglich eingekaufte Zellen zu Batterie-Packs zusammenschalten. Das trifft aktuell z.B. auf die deutschen Anbieter Voltabox und Akasol sowie die Schweizer Lion-E-Mobility zu. Solche Anbieter sehe ich jedoch als eher ungefährlich für VARTA, da sie ausschließlich in diesem wettbewerbsintensiven Bereich tätig sind, in dem es keinen Burggraben gibt. Entscheidend ist die Zellfertigung, und da spielt VARTA im Gegensatz zu den genannten Wettbewerbern ganz vorne mit.

Das Geschäftsmodell

VARTA’s Geschäftsmodell muss man als zyklisch ansehen. Mit Apple und Samsung hat man für große Mengen Lieferverträge, die jedoch geändert und gekündigt werden können. Insbesondere gibt es keine Garantie, dass VARTA für diese Kunden beliebig lang einziger Batteriezulieferer bleibt. Wie schnell das gehen kann, konnte man Anfang des Jahres beobachten, als sich herausstellte, dass Samsung – angeblich aus Sorge über mögliche Lieferengpässe bei VARTA – sich nach Alternativen umgeschaut und bei 2 chinesischen Anbietern fündig geworden sind. Diese stellten sich jedoch als Plagiate heraus, so dass VARTA erfolgreich gegen diese Patentverletzungen vorgehen konnte.

In jedem Fall muss man davon ausgehen, dass die Umsätze von VARTA sich sprunghaft entwickeln können, wenn große Kunden ihre Bestellungen ändern (in beide Richtungen). Entsprechend volatil erwarte ich die Aktienkursentwicklung…

Die Zahlen

EV / Sales 12M: 3,4 Jahre
Erwartetes Umsatzwachstum: 33%
Bruttomarge: 67%
Quasi-KGV: 10,5 Jahre
Quasi-PEG: 0,3
Free Cash Flow Marge 2019: 1%
Efficiency Score 2020: 34%
Current Assets / Current Liabs: 1,25
Eigenkapitalquote: 44%

Die Bewertung

Obwohl VARTA 2019 trotz der hohen Wachstumsinvestitionen bereits eine beeindruckende operative Marge von 21% erwirtschaftet hat, würde ich das Unternehmen als Startup (nicht profitables Wachstumsunternehmen) bewerten, da das Umsatzwachstum zur Zeit im Vordergrund steht.

Unter Berücksichtigung aller Bewertungskriterien liegt Varta’s Lion Folio Enterprise Score bei 3,9 von 5 Sternen.

Mein Fazit

Ich habe lange nach einem Unternehmen gesucht, das einerseits von der steigenden E-Mobilität profitiert, sich andererseits aber auch von den Konkurrenten abhebt und zumindest einen schmalen Burggraben besitzt. Mit VARTA glaube ich, dieses Unternehmen gefunden zu haben. Der Burggraben bezieht sich aktuell zwar auf die Microbatterien, aber das macht es ja nicht schlechter. Die wettbewerbsintensive E-Mobilität ist hier lediglich eine begründete Zukunftsperspektive, aber wahrscheinlich ist es gerade richtig, dieser Modebranche zum aktuellen Zeitpunkt keine größere Bedeutung beizumessen. Zu schnell ist aktuell die Entwicklung und zu groß die Konkurrenzsituation.

VARTA erwirtschaftet hohe Gewinnmargen gepaart mit einem aktuell atemberaubenden Wachstum. Dazu kommt die beeindruckende Weltmarktführerschaft im größten Bereich Microbatterien. Allein diese Kombination ist schon einzigartig. Erstaunlicherweise gibt es dieses Ausnahmeunternehmen aktuell zu einem immer noch fairen Preis (trotz der bereits erfolgten Vervierfachung in den letzten 2 Jahren).
Größtes Risiko ist die große Abhängigkeit von Apple und Samsung, das sollte man auf jeden Fall im Blick haben.

VARTA habe ich daher neu ins wikifolio Wachstumsstarke Disruptoren aufgenommen.

3 Kommentare zu „VARTA“

  1. Obwohl Varta bereits mit den Q4-Zahlen am 18.02. berichtete: „VARTA wird im vierten Quartal eine Pilotanlage zur automatisierten Produktion von größeren Batterieformaten am Standort Ellwangen in Betrieb nehmen.
    sorgt der heutige Artikel in der Wirtschaftswoche für Furore, den Varta inzwischen bestätigt hat.

    Neu sind daran aber lediglich die konkreten Namen der Zelle „V4Drive“ im Format „21700“ und der geplante Einsatz in Premium-Automodellen sowie Power Tools.

  2. Am 18.02. ist mit den Q4-Zahlen genau das eingetreten, was ich im vorigen Kommentar prognostiziert hatte: Die sicherlich konservative Guidance lag bei nur noch 8%. Prompt rauschte der zuvor stark gestiegene Kurs zurück auf im Tiefpunkt 107€.

    Ich habe meine kleine Position nun wieder erhöht, denn zum einen erwarte ich nicht 8%, sondern weiterhin 18% Wachstum. Und diese 18% täuschen zudem darüber hinweg, dass das Wachstum des wichtigsten Segments Microbatterien nach Aussage von Varta weiterhin bei über 30% liegen wird. Denn man erwartet ein Marktwachstum von 30% und darüber hinaus ein überdurchnittliches Wachstum von Varta in diesem Bereich. Wie kommt man nun von diesen 30% Wachstum auf die für 2021 erwarteten 18%? Das liegt einfach an dem hinzugekauften Segment Haushaltsbatterien & Energiespeicher, die 2020 einen Umsatz von 362 Mio € beigetragen haben und deutlich langsamer wachsen. Varta hat hierzu lediglich von einem „Beitrag zum Wachstum“ gesprochen, daher gehe ich konservativ von einer Stagnation aus:

    • Segment Micro: 2020 508 Mio, 2021e 660 Mio
    • Segment Haushalt: 2020 362 Mio, 2021e 362 Mio

    In Summe kommt man also von den 870 Mio aus 2020 zu den 1022 Mio in 2021, was den 18% erwartetes Gesamtwachstum entspricht. Letztlich hat Varta durch den Zukauf der Haushaltsbatterien also die Wachstumsrate stark reduziert, obwohl das Stammsegment Microbatterien unvermindert wächst.

  3. Die Q3-Zahlen von Varta haben die Erwartungen übertroffen: Für die ersten 9 Monate 2020 hat Varta ein atemberaubendes Umsatzwachstum von organisch 70% vorzuweisen, das bereinigte EBITDA wurde sogar um 128% gesteigert. Zudem wurde der Ausblick für den Umsatz 2020 um 3,6% auf 850 Mio € erhöht, für das EBITDA um 9,4% auf 232 Mio €.

    So weit so beeindruckend – und vom Markt wohl auch mehr oder weniger erwartet. Für 2021 sieht das Ganze aber nicht mehr so beeindruckend aus, denn gegen Ende der Quartalsmitteilung taucht der folgende Satz auf:

    „Die Eine-Milliarde-Umsatzschwelle wird der Konzern bereits in 2021 nahezu erreichen.“

    Das bedeutet, dass der Umsatz nur noch um weniger als 150 Mio € steigen soll. Da dieser wohl fast ausschließlich im Segment Microbatteries & Solutions hinzugewonnen werden soll, würde das ein Wachstum dieses Segments von nur noch 28% bedeuten. Gemessen am erwarteten Marktwachstum von 30-40% würde Varta damit langsamer als der Markt wachsen und somit Marktanteile verlieren (!).

    Bezogen auf den Gesamtumsatz wären das für 2021 sogar nur 18% Wachstum.

    Nun ist Varta mit dem erwarteten EV / Sales von 4,4 für 2021 noch nicht übermäßig teuer, aber die gewohnten Zahlen zum Augenreiben werden 2021 doch wesentlich bescheidener ausfallen. Zudem schwebt über Varta weiterhin das Damokles-Schwert der chinesischen Konkurrenz, und die starke Abhängigkeit von den Großkunden Apple und Samsung erfordert ebenfalls einen ordentlichen Risikopuffer.

    Ich bin aus diesen Gründen vorerst aus Varta wieder ausgestiegen, da ich im Moment mehr Risiken als Chancen sehe. Ggf. würde ich zu gegebener Zeit mit einer kleineren, spekulativen Position wieder einsteigen.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.