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Was macht Appian?
Appian stellt Business-Software her, und zwar in den Bereichen Low Code und intelligent Business Process Automation (iBPA).
Low Code ist dabei im Sinne von „wenig Code“ gemeint, d.h. es wird im Wesentlichen grafisch programmiert, ohne dafür eine textbasierte Programmiersprache erlernen zu müssen. Nur in einigen Teilbereichen ist noch ein wenig echtes Coding nötig. Bisher betraf dies vor allem die Anbindung von Datenquellen, aber auch hier hat Appian nach eigenen Angaben in letzter Zeit nachgebessert (der verlinkte Heise-Artikel enthält noch einige weitere interessante Informationen).
Der große Vorteil von Low Code besteht darin, dass die Umsetzung viel schneller (Appian verspricht 10x schneller) und mit weniger Fehlern (Bugs) möglich ist als bei einer klassischen Programmierung. Im Gegenzug bietet die grafische Programmierung (noch?) nicht den vollen Baukasten an Funktionen und Optimierungs-Möglichkeiten.
Appian sieht den LowCode-Ansatz zwischen dem Kauf von fertiger, preiswerter, aber unflexibler Standardsoftware (SAP lässt grüßen) und der eigenständigen Programmierung von kundenspezifischer Software (maximal flexibel, aber sehr aufwändig in der Herstellung und Wartung). Mittels LowCode kann sich jedes Unternehmen kostengünstig eine auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Logik programmieren. Das klingt wie das Beste aus beiden Welten.
Mit Business Process Automation (BPA) ist die Software-gestützte Steuerung von internen Arbeitsabläufen gemeint (Workflows) oder auch die Bearbeitung von Kundenproblemen (Case Management). Hier geht es in der Regel darum, eine bestimmte Reihenfolge zwischen den verschiedenen Mitarbeitenden festzulegen und insgesamt den Überblick über den Stand der Dinge bei einem bestimmten Fall zu behalten. Aus Programmierer-Sicht sind das eher die einfacheren Anwendungsgebiete von Software, da es sich um allgemeinverständliche, eher simple Abfolgen und Abhängigkeiten handelt, bei denen vor allem eine einfache Status- und Zuständigkeitsverwaltung umgesetzt werden muss. Quantitative Berechnungen und der Umgang mit komplexen Datenstrukturen ist hier weniger gefragt. Daher ist es naheliegend, dass die Low Code Technologie angesichts der bisher noch limitierten Möglichkeiten aktuell vor allem an den vergleichsweise einfachen Anforderungen der Business Process Automation angewandt wird. Sich am Bildschirm mal schnell einen Workflow zusammenzuklicken fällt eben leichter als auf diese Weise eine numerische Iteration zur Berechnung von Effektivzinsen umzusetzen 😉
Appian bietet aber nicht nur BPA, sondern intelligent BPA. Damit ist die Einbeziehung von Künstlicher Intelligenz bei der Analyse von Dokumenten und Prozessen sowie Robotik gemeint (Robotic Process Automation). In diesem Zusammenhang hat Appian am 5.8. die Übernahme des deutschen Business Process Mining Anbieters LANA Labs bekanntgegeben. Diese Übernahme stellt eine ideale Ergänzung für Appian dar, weil man nun aus 1 Hand die Analyse komplexer Geschäftsprozesse (Business Process Mining) und die anschließende Modellierung dieser Prozesse in LowCode anbieten kann.
Das Management
Gründer und CEO (diese Kombination ist Musik in des Investors Ohren) ist Matt Calkins. Auf Glassdoor ist er mit guten 84% Zustimmung seiner Mitarbeiter bewertet.
Eine breite Business-Karriere, das muss man offen sagen, hat er jedoch nicht vorzuweisen. Nach dem College war er 5 Jahre bei MicroStrategy, bevor er 1999 Appian gründete und seitdem dessen CEO ist.
Das IPO war 2017, so dass Appian über eine hinreichend lange Börsengeschichte für eine fundierte Firmenanalyse verfügt.
Calkins bezeichnete das Thema Low Code auf der Appian World 2021 als „die größte Disruption in der IT-Welt seit vielen Jahrzehnten„. Das ist sicher etwas hoch gegriffen, ich würde es eher als die nächste Generation von Programmiersprachen bezeichnen. Denn der Trend, dass die Programmiersprache dem Programmierer immer mehr Arbeit abnimmt, immer weiter weg von der ausführenden Maschine und immer näher an der menschlichen Sprache, ist ja ein Prozess, der sich seit Jahrzehnten vollzieht. Eine Disruption stellt es aber durchaus dar, wenn eben gar keine textbasierte Sprache mehr benötigt wird, sondern nur noch logische Elemente grafisch aneinandergefügt werden müssen.
Das Geschäftsmodell
Appian bietet seine Produkte einerseits in der Cloud an, andererseits auch (noch) zum Einsatz im Rechenzentrum des Kunden. In beiden Fällen spricht das Management aber von „Subskriptionen“, also SaaS.
Der Umsatzmix bestand zuletzt (im Q2 2021) aus 51% Cloud, 17% sonstige Subskriptionen und Wartung, 32% Professional Services (Beratungsleistungen). Und hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Denn während die Cloud-Subskriptionen zuletzt um 44% gewachsen sind, schwanken die sonstigen Subskriptionen und Wartung zwischen 11 und 26 Mio $ pro Quartal (zuletzt 14 Mio im Q2, exakt wo sie auch 2 Jahre zuvor standen). Ähnlich ist es mit den Professional Services, die bei 26 Mio $ pro Quartal stagnieren. Der Trend geht also klar zu den Cloud-Subskriptionen, die einen immer höheren Umsatzanteil ausmachen. D.h. sollte das Wachstum bei den Cloud-Subskriptionen prozentual konstant bleiben, würde das eine Wachstumsbeschleunigung des Gesamtumsatzes bedeuten. Und das würde dem Aktienkurs von Appian natürlich äußerst gut tun 🙂
Ein realistisches Bild vom Wachstum des Kerngeschäfts bietet das Wachstum der Gesamt-Subskriptionen, und das lag 2020 bei 31%. Diese Zahl liegt weit höher als bei den meisten Wettbewerbern, weshalb man Appian aktuell als marktführend bezeichnen kann, auch wenn sie noch nicht den höchsten Gesamtumsatz vorweisen können.
Appian bepreist seine Produkte abhängig von der Nutzerzahl, d.h. je mehr Mitarbeiter eines Kunden mit einer Appian-Anwendung arbeiten, desto mehr Umsatz bedeutet das für Appian.
Die Kunden
Appian hält sich bedeckt, was die Entwicklung der Kundenzahl angeht, was darauf schließen lässt, dass diese noch nicht allzu beeindruckend ist. Andererseits werden auf der Website 200 Kunden namentlich gelistet. Falls dies mehr oder weniger alle zahlenden Kunden sind, wäre das noch eine recht geringe Zahl. Bei 200 Mio $ Subskriptionsumsatz in 2020 wären 200 zahlende Kunden aber durchaus realistisch. Appian ist eben noch ein sehr kleines Unternehmen.
Die Kundenbreite lässt bei Appian noch zu wünschen übrig: nach eigenen Angaben ist die Kundenbasis „konzentriert“. Allein 18% des Umsatzes macht man mit der US-Regierung.
Die Konkurrenten
Gartner sieht Appian als einen der Leader im Magic Quadrant für Enterprise Low Code Platformen. Diese Einstufung ist umso bemerkenswerter, wenn man sich die Namen der anderen Leader anschaut: Salesforce, Microsoft, ServiceNow, OutSystems und Mendix. Diese 5 nennt Appian auch selbst als stärkste Konkurrenten in seinem Geschäftsbericht 2020.
Im Bereich Business Process Automation ist der Haupt-Konkurrent Pega Systems, die im Gartner Magic Quadrant vor Appian liegen. Die weiteren sind Bizagi, IBM, Oracle, AuraQuantic, Genpact, Axon Ivy, Software AG. Während bei Großunternehmen wie IBM, Oracle und Software AG schwer zu sagen ist, wie groß dieser Bereich innerhalb der Unternehmen ist und wie schnell er wächst, wachsen Pega Systems und Genpact seit Jahren deutlich langsamer als Appian.
Aufgrund des noch sehr jungen Geschäfts mit LowCode-Anwendungen kann man Appian noch keinen nennenswerten Burggraben attestieren. Appian selbst betont die niedrigen Eintrittsbarrieren. Mit fortschreitendem Einsatz von Appian-Anwendungen bei den Kunden entsteht aber sukzessive ein Burggraben durch steigende Wechselkosten. Daher wird es maßgeblich darauf ankommen, wie häufig die Kunden in Zukunft ihre Anwendungen mit Appian modellieren. Je stärker sich Appian verbreitet, desto breiter wird auch der Burggraben.
Die Zahlen
Aufgrund der schwindenden Bedeutung der Professional Services (Beratungsleistungen) habe ich alle Zahlen auf das Kerngeschäft, d.h. die Subskriptionen (Cloud + on-premise) bezogen.
EV / Sales 12M: 14 Jahre
Erwartetes Umsatzwachstum 2021: 29%
Bruttomarge: 91%
Quasi-KGV: 25 Jahre
Quasi-PEG: 1,1
Free Cash Flow Marge 2020: -4%
Efficiency Score 2021: 25%
Current Assets / Current Liabs: >2
Eigenkapitalquote: 59%
Die Bewertung
Appian wirtschaftet noch leicht defizitär und sollte daher als Startup (nicht profitables Wachstumsunternehmen) bewertet werden.
Die 5 Komponenten des LionFolio® Enterprise Score habe ich so bewertet:
- Management: 3,7
- Geschäftsmodell: 4,3
- Burggraben: 2,5
- Efficiency Score: 2,6
- Preis: 2,9
Unter Berücksichtigung aller Bewertungskriterien liegt Appian’s LionFolio® Enterprise Score bei 3,1 von 5 Sternen. Das ist sehr mittelmäßig und rechtfertigt noch keine große Position. Das Hauptproblem sind der noch kaum vorhandene Burggraben und der geringe Efficiency Score. Aktuell reißen die Kunden Appian die Produkte noch nicht aus den Händen. Beides kann sich aber mit der Zeit verbessern. Das Thema LowCode steht noch am Anfang, scheint aber gerade Fahrt aufzunehmen. Daher möchte ich beim vermeintlichen Marktführer dabei sein.
Appian habe ich als kleine Startposition in das wikifolio Wachstumsstarke Disruptoren aufgenommen.
Der Crash bei netto noch nicht profitablen Wachstumsunternehmen ist auch an Appian nicht vorbeigegangen. Jetzt gab es Q4-Zahlen, die die Börse zumindest nach den stark gefallenen Kursen überzeugen konnten. Aber wie gut waren die Zahlen wirklich?
Sehr positiv fällt auf, dass sich das Wachstum auf 35% beschleunigt hat. Das ist nach dem Ende des Corona-Rückenwinds eine Seltenheit bei Software-Unternehmen. Was die Profitabilität angeht, ist jedoch nur eine leichte Verbesserung eingetreten. Nach den katastrophalen -54% im Q3 gab es im Q4 nochmal -38% operative Cash Flow Marge. D.h. in Bezug auf den Efficiency Score frisst allein diese das komplette Wachstum auf! Die Free Cash Flow Marge wird natürlich noch schlechter gewesen sein.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein Unternehmen, das beim Efficiency Score nicht überzeugt, auch kein gutes Investment sein kann, egal wie hoch das Wachstum gerade ist. Denn dieses wird dann ja so teuer erkauft, dass es sich unter dem Strich nicht rechnet. Genau das ist die Aussagekraft des Efficiency Scores. Ich hatte mich Ende Januar von Appian getrennt, weil andere Unternehmen einen besseren LionFolio Enterprise Score aufwiesen. Daran hat sich nach den Q4-Zahlen nichts geändert, so dass ich keinen Wiedereinstieg plane, so lange sich der Efficiency Score nicht deutlich bessert. Im Bereich Low Code ist ja auch meine Position Alteryx tätig, so dass ich diese Branche weiterhin abdecke.
Appian hat solide Q3-Zahlen gemeldet. Wie im Artikel erwähnt, fokussiere ich mich auf die Entwicklung der Gesamt-Subskriptionen, d.h. Cloud + On-premise. Diese sind YoY um 32% gestiegen. Das gleiche Wachstum wurde auch für Q4 geguidet. Sehr wichtig und erfreulich, dass das prozentuale Wachstum nicht nachlässt, was bedeutet, dass Appian weiterhin exponentiell wächst!
Negativ überrascht hat die operative Cash Flow Marge von -54%. Im Earnings Call wurde dieser mit Abstand größte Cash-Abfluss seit mindestens 2 Jahren eher lapidar damit begründet, dass eben weniger Rechnungsbeträge eingetrieben wurden. Warum in diesem großen Ausmaß, wurde nicht gesagt, lediglich dass man für Q4 Besserung erwartet. Nun gut, einmal ist keinmal, gehen wir also mal davon aus, dass das ein Ausreißer war.
In Summe bleibt der Investmentcase unverändert: Geschäftsmodell und Wachstum stimmen, für eine größere Position müssten sich aber Burggraben und Profitabilität verbessern. Denn billig ist Appian mit einem Forward EV/Sales von 11 ebenfalls nicht.